8/27/2009

Ein Preis für RezensentInnen

Mal ganz was Neues: Dass es massig Literaturpreise für Schreibende gibt, ist bekannt. Nun gibt es aber auch einen Preis, neudeutsch "Award", für Menschen, die Rezensionen schreiben. Ich finde das äußerst sympathisch! Bei der Aktion "Leser-Rezension" gehe ich mal davon aus, dass auch Frauen Rezensionen einreichen dürfen - ach ja, die sind vermutlich selbstverständlich ohne jegliche Diskriminierung mitgemeint. Der oder die SiegerIn bekommt dann den Lese-Kompass 2009 verliehen, wird im ZEIT-Magazin abgedruckt und erhält Eintrittskarten für die Verleihung des internationalen Buchpreises "Corine 2009" in München inklusive Übernachtung. Mitmachen dürfen ausschließlich Hobby-RezensentInnen, keine Profis. Die Jury besteht aus Ildikó von Kürthy, Oliver Bottini und Jörg Thadeusz. Einsendeschluss ist der 30. September 2009. Alle Infos gibt es hier. Das Ganze ist übrigens eine Aktion des Literaturportals Lovelybooks.

8/10/2009

Das Buch des Sommers: The Namesake

Das beste Buch des bisher an Highlights nicht armen Lesesommers ist für mich ganz klar "The Namesake" der indischen Autorin Jhumpa Lahiri. Der deutsche Titel lautet "Der Namensvetter". Eine ausführliche Rezension gibt es hier. Auch wenn ich grundsätzlich wenig Lust auf eine weitere Immigrantinnen-Saga hatte, ist es dieses Buch allemal wert: Erzählt wird die Geschichte einer von Indien in die USA ausgewanderten Familie im Allgemeinen und die des nach dem Schriftsteller Gogol benannten Sohnes im Besonderen. Das alles mit grandiosem Stil, Blick für Details und sehr viel Empathie für die Hauptpersonen. Ein wunderbares Abtauchen in eine kurios wirkende Welt. Während mich dieser Roman restlos begeistert hat, war ich von Jhumpa Lahiris Debüt, dem Kurzgeschichtenband "Interpreter of Maladies"(deutsch: Melancholie der Ankunft), weniger angetan.

7/20/2009

Monica Seles: grandioses Tennis, gutes Buch

Frau kann ja von Autobiografien und Memoiren erfolgreicher Sportlerinnen halten, was sie möchte - aber dieses Buch von Monica Seles, der ehemaligen Nummer 1 des internationalen Damentennis, kann ich wirklich wärmstens empfehlen. Soweit ich das beurteilen kann, hat Monica Seles das Buch ohne Ghostwriter geschrieben, was ihr auch hervorragend gelungen ist. Sie erzählt von ihrer außergewöhnlichen Tenniskarriere, die durch das Messerattentat 1993 in Hamburg ein (vorläufig) jähes Ende fand. Dann kam der lange Weg zurück und ihr erfolgreiches Comeback, allerdings begleitet von Verletzungen, starken Gewichtsproblemen und den Verlust ihres Vaters. Monica Seles kommt hier enorm sympathisch, ehrlich, unkompliziert rüber, sodass ich nicht umhin konnte, mir zu wünschen, sie persönlich kennen zu lernen. Immerhin: Ich bin ein Fan von ihr auf Facebook!

7/11/2009

Sommerlektüre

Weitestgehend erfreulich gestaltet sich meine diesjährige Sommerlektüre: Ich verschlinge Bücher am laufenden Band bei angenehmen 40 Grad mit wenig Luftfeuchtigkeit. Zwar war das gestrige Buch völlig überkandidelt, nämlich "The Interpreter" von Suzanne Glass, aber dafür waren alle anderen Bücher bisher sehr lesenswert. Auf Spanisch habe ich mein nunmehr zweites Buch des Peruaners Jaime Bayly gelesen, eine völlig kitschfreie Ode an die Macht der Freundschaft und die Kunst des Verzeihens. Das Buch heißt "Y de repente, un ángel" (siehe Foto) und hat Spuren hinterlassen. Davor hat mir die Lektüre von "Last Night at the Lobster" von Stewart O'Nan als Literatur-Miniatur gut gefallen, aber wird voraussichtlich weniger bleibende Spuren hinterlassen. Von einer absolut durchgeknallten Familie, die man wohl niemals erfinden könnte, las ich in "Running with Scissors" von Augusten Burroughs. Jetzt nehme ich mir "American Pastoral" von Philip Roth vor. Ich werde berichten.

7/06/2009

Augusten Burroughs: Running with Scissors

Augusten Burroughs, Schulabbrecher, ehemaliger Alkoholiker, erfolgreicher Texter und nunmehr besonders erfolgreicher Schriftsteller, hat eine total verkorkste Kindheit hinter sich. In seinem Buch "Running with Scissors", das in der deutschen Übersetzung den in meinen Augen sehr banal wirkenden Titel "Krass!" trägt, gibt bis ins letzte Detail Aufschluss darüber. Was ich anfangs für ein belangloses Buch hielt, hat mich letztlich auf der ganzen Linie überzeugt. Zur ausführlichen Rezension geht's hier.

5/18/2009

"Les falsificateurs" von Antoine Bello

All jenen, die des Französischen mächtig sind, sei dieses Buch von Antoine Bello empfohlen, das bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Auch für Nicht-Muttlersprachlerinnen (wenngleich mit hohem Sprachniveau) ist dieses Buch vergleichsweise einfach zu lesen, da es nicht auf der stilistischen, sondern auf der inhaltlichen Ebene überzeugt. Es geht um eine hochgeheime Organisation, die die Wirklichkeit fälscht (daher der Titel "Die Fälscher"), deren ultimative Ziele aber nicht bekannt sind. Sehr spannend, sehr lehrreich - und vielleicht eine Parabel auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Absolut unnötig finde ich es wiederum, dass der Autor eine Fortsetzung dieses Romans in Aussicht gestellt hat - das ist gar nicht notwendig! Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

4/26/2009

Neue Rezensionen und Literatur-Dissertation

Lange nichts geschrieben! Nun melde ich mich wieder zu Wort mit zwei neuen Rezensionen: eine über Daemon von Daniel Suarez und eine über Das Siegel der Tage der ungleich bekannteren Isabel Allende, ihres Zeichens eine meiner absoluten Lieblingsschriftstellerinnen. Da trifft es sich gut, dass ich auf der Suche nach einem Thema für meine Dissertation in spanischer Literatur (im Entstehen am Romanistik-Institut der Uni Wien) gar nicht lange nachdenken musste, wem ich die nächsten paar Jahre einen Teil meiner Freizeit widmen werde. Das Thema wird voraussichtlich folgendermaßen lauten: "Magischer Feminismus - feministischer Realismus. Frauenfiguren im Werk Isabel Allendes". Laufende Berichterstattung folgt.

2/26/2009

Gerbrand Bakker: ohne Buch, aber mit viel Sympathie

Eine etwas kuriose, letztlich aber enorm unterhaltsame Lesung bot sich gestern in der Wiener Hauptbibliothek. Gleich anfangs fragte die Organisatorin (ohne Begründung), ob jemand das niederländische Original des Erfolgsromans "Oben ist es still" dabei hätte. Es stellte sich heraus, dass der Autor sein eigenes Buch im Original nicht dabei hatte - sehr wohl aber die deutsche Übersetzung. Aus der las der durchaus des Deutschen Mächtige dann vor und plauderte zwischendurch über sein Werk - das täte man in Holland so, meinte er. Erfrischend anders war das. Auch am Podium: die österreichische Autorin Andrea Winkler, die eigentlich als Moderatorin fungieren sollte, aber erstaunlich planlos und unvorbereitet wirkte. Eingangs versprach sie, in ihrer Einleitung über den Autor nicht zu "klügeln" - um schließlich exakt das zu tun. Ärgerlich, wenn frau im Publikum ein bisschen für blöd verkauft wird. Dennoch: ein schöner, unterhaltsamer Abend mit Überlänge, die niemanden störte.

2/17/2009

Alter Kleist in modernem Gewand

Grad mal in Berlin angekommen, konnten wir der Theater-Versuchung nicht widerstehen. Ausgestattet mit wohfeilen Halbpreiskarten besuchten wir das Maxim Gorki-Theater, um die Ecke der Prachtstraße "Unter den Linden". Am Programm: "Amphytrion" von Kleist - anspruchsvolles Theater, modern und schwungvoll präsentiert - sogar der kichernden Schulklasse hat's gefallen. Noch nie auf der Bühne erlebt hatte ich gesprochene Regieanweisungen, wie sie im Originaltext zu finden sind. Da sagt also der Hauptdarsteller: "Abgang Amphytrion". Sehr kurzweilig!

Der verlorene Faden bei Kafka?

Sehr praktisch: Im Burgtheater kann frau sich Kafkas "Prozess" in verträglichen 75 Minuten in einer Bühnenfassung zu Gemüte führen. Philipp Hochmair verkörpert zum Teil Josef K., zum Teil liest er Auszüge in der 3. Person. Uns (meiner ebenso literaturbegeisterten Zwillingsschwester Judith und mir) hat die moderne Fassung, aus der allerersten Reihe betrachtet, sehr gut gefallen. Nur rätseln wir nach wie vor darüber, ob der "Aussetzer" des Schauspielers in der ersten Hälfte Teil der Inszenierung war oder ob er tatsächlich ein Blackout hatte. Danach gab es sehr wohl Stellen, in denen Verwirrung und abrupt abbrechende Sätze vorgesehen waren. Aber angesichts der doch zu lange anhaltenden Stille denke ich, dass er hier wirklich den Faden verloren hat. Dementsprechend zerknirscht wirkte der Schauspieler dann auch beim Schlussapplaus. Oder habe ich mir das eingebildet?

2/08/2009

Stewart O'Nan: kurz und bündig in Wien

Auf Einladung von Richard Jurst von Buch & Wein las der von der Kritik hochgelobte amerikanische Schrifsteller Stewart O'Nan erstmalig in Wien - und zwar aus seinem neuen Roman "Songs for the Missing". Schauspieler Robert Reinagl las alternierend mit dem Autor aus der deutschen Übersetzung ("Alle, alle lieben dich"). Nach einer knappen halben Stunde mit nur wenig packenden Textstellen war das Vergnügen auch schon wieder vorbei. Gäste in den hinteren Reihen hörten laut Tonproblemen - überraschend bei einem so erfahrenen Veranstalter - anscheinend im ersten Teil wenig bis gar nichts. Als Entschädigung gab es einen grundsympathischen Autor, der mit endloser Geduld seine Bücher signierte. Ungewöhnlicher Veranstaltungsort war übrigens das Lokal Steindl im 6. Bezirk unweit der Mariahilfer Straße.

1/21/2009

Weißbuch Frauen, Schwarzbuch Männer

Absolut hinreißend fand ich den Abend mit Sibylle Hamann, die Essays über die Benachteiligung von Frauen las und angeregt mit dem Publikum in der Bücherei Liesing diskutierte. Das von ihr gemeinsam mit Eva Linsinger herausgegebene "Weißbuch Frauen, Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen" liefert das dazu passende statistische Datenmaterial. Da kann frau z.B. nachlesen, dass nur 4% der Männer in Väterkarenz gehen, dass erstmals die Mehrheit der Uni-Abschlüsse Frauen gehören und dass Männer genau dann am meisten Überstunden machen, wenn ihre Kinder klein sind. In der Diskussionsrunde plädierte die äußerst flotte und rhetorisch begabte Hamann für eine Neustrukturierung der Lebensarbeitszeit, für Teilzeit-Jobs für alle und für ein generelles Umdenken in der Leistungsgesellschaft, die meistens jene belohnt, die möglichst lange im Büro hocken. Absolut berechtigt auch die Forderung nach einer Erhöhung des Pensionsalters für Frauen. Ein gesellschaftliches Umdenken ist natürlich sowieso gefragt: Warum wird die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere immer nur als Frauenproblem gesehen? Und warum werden Männer ausführlich dafür gelobt, was Frauen seit jeher wie selbstverständlich machen: sich um die Kinder kümmern, den Haushalt schmeißen etc. Es ist noch ein sehr weiter weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau...

Übrigens: Hier können Sie das Buch zum "Sachbuch des Jahres" wählen!

12/12/2008

Disparater Literatur-Reigen




Eine etwas disparate Truppe hat das Team der ORF-Literatursendung "les.art", die in der Wiener Hauptbücherei aufgezeichnet wurde, versammelt: Sigrid Löffler, die Grande Dame der Literaturkritik, die Elke Heidenreich leichthin als "Nicht-Kritikerin" abtat und es offensichtlich als negativ erachtet, dass Zweitere ihre beim Lesen eines Buches empfundenen Emotionen in Worte fasst. Christoph Ransmayr, seines Zeichens Verfasser höchst anspruchsvoller Romane, formte kluge und endlose Schachtelsätze, ohne je den Faden zu verlieren. Neben diesen beiden Überdrüber-Intellektuellen nahm sich Heinz Strunk, äußerst erfolgreicher, leicht stotternder Satiriker und Autor von Zeitgeist-Romanen, ziemlich blass aus. Den notwendigen Schwung brachte der Moderator Dieter Moor in die Bude, der gute bis pfiffige Fragen stellte, aber nicht immer eine Antwort erhielt. Frau Löffler z.B. ist die Antwort schuldig geblieben, wo denn "gute" Literatur anfängt. Wenn es jemand (für sich) beantworten kann, dann sie. Warum sagt sie es nicht? Übrigens wird die Sendung am Montag, den 15. Dezember um 22:30 Uhr ausgestrahlt.

11/19/2008

Immer wieder: Andrea de Carlo

Habe ich an dieser Stelle schon mal gesagt, was ich von Andrea de Carlo halte? Jaaaa??? Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich LIEBE Andrea de Carlo! Auch beim 15. Buch und vermutlich vielen hunderten Lesungen ist er unschlagbar charmant und durch und durch sympathisch - so wie heute in der Hauptbibliothek in Wien bei einer zweisprachigen Lesung aus seinem neuen Roman "Das Meer der Wahrheit", das im Original eigentlich "Das Meer der Wahrheiten" (also im Plural) heißt. Andrea de Carlo plauderte über Politik in Italien, über sein abgeschiedenes Zuhause, seine Bereitschaft zum Auswandern und seine Nebenbeschäftigung als Rockmusiker. Dieser Abend mit Andrea de Carlo war so ziemlich das Einzige, das mich beim derzeitigen kalten und unangenehm windigen Wetter aus dem Haus brachte. Es hat sich allemal gelohnt. Ich freu mich sehr auf die Lektüre!

10/08/2008

Die Waffe einer Frau

...ist natürlich nicht ihr Vorbau, nicht ihre Stilettos, nicht ihre sprichwörtliche Empathie oder ihr Multitasking-Talent. Die Waffe einer Frau ist - was sonst - ihr Kopf. Das Theaterstück "Love Me Gender", das derzeit im stets schön feministischen Theater Drachengasse gezeigt wird, besteht aus Sketches rund um Geschlechterrollen und Frauenbilder. Vor einem sehr ansprechenden Bühnenbild stellen die hervorragenden drei Schauspielerinnen Sabine Herget, Claudia Seigmann und Brigitta Waschnig die Welt auf den Kopf - etwa wenn ein männlicher Bewerber nach Kinderwünschen ausgefragt wird - oder parodieren auf Teufel komm raus. Die Botschaften stimmen erwartungsgemäß nachdenklich. Oder ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass in Fernsehsendungen nie weibliche Expertinnen zu Wort kommen? Sind Sie schon mal mit einer Pilotin geflogen? Haben bei einer Professorin ein Seminar besucht? Tja, es ist noch ein langer Weg zur Gleichstellung...laut einer im Stück erwähnten englischen Studie noch ganze 150 Jahre. Foto: Reinhard Winkler

10/02/2008

Paul Auster am Fließband

Gestern war einer der ganz "Großen" der amerikanischen Literatur erstmals zu Gast in Wien und las im brechend vollen Theater "Ronacher". Nach einer sehr launigen Einleitung von Fritz Ostermayer bestach auch die Gestaltung der Lesung: Der Autor und Schauspieler Florentin Groll lasen abwechselnd auf Englisch und auf Deutsch, und zwar aufeinanderfolgende Passagen aus "Man in the Dark". Während die ausgewählten Passagen nur mäßig interessant waren (lange Filmbeschreibungen), wirkte der Autor im nachfolgenden Gespräch sympathisch und gut gelaunt, sehr anti-Bush und selbstreflektiert. Über sprachliche Unsicherheiten der Moderatorin Iliane Weiß ("thank you in the name of the audience") sah er dabei galant hinweg. Etwas weniger gut gelaunt erlebte frau den Autor bei der Signierstunde, wo er sich in echter Fließbandarbeit wohl in hunderten Büchern verewigt hat. Als Veranstalter dieser gelungenen Veranstaltung fungierte übrigens Richard Jurst, der ehemalige Inhaber des legendären Buch & Wein, der von seinen zahlreich vertretenen Fans begeisterten Applaus erntete. Weiter so! Laut Richard Jurst in Planung: Lesungen mit Stewart O'Nan, Colum McCann.

9/24/2008

Enttäuschende Madonna

Ihre Liedtexte sind natürlich keine lyrischen Meisterwerke, dennoch verdient die "Queen des Pop", die für mich die 80er-Jahre verkörpert, einen Eintrag. Nur leider einen negativen: Beim schlecht organsierten Mega-Konzert (ca. 50.000 Menschen) auf der Donausinsel kam überhaupt keine Stimmung auf. Madonna spulte ihre perfekt inszenierte Show mit viel Licht, Video und allerlei Schnickschnack lieblos und uninspiriert herunter, kommunzierte kaum mit dem Publikum, klammerte sich oft an eine Gitarre, auf der sie mühsam ein paar Griffe beherrschte. Die Gesangsleistung war mäßig und ich persönlich vermisste schmerzlich die Hits aus den Anfängen ihrer Karriere. Ein enttäuschendes Erlebnis, das auch noch mit der entsprechenden Botschaft auf der Videowall endete: Game Over. Ein altmodisches und persönlich vorgetragenes "good bye Vienna" wäre doch viel netter gewesen.

9/15/2008

Warum ich kündige

Jawoll, ich kündige - nicht meinen Job, das wäre doof, da ich ja Chefin und Angestellte in Personalunion bin (www.texterei.com). Nein, ich kündige mein langjähriges Abo der Zeitschrift "Brigitte". Schon länger störte mich, dass "Brigitte" zwar Chancengleichheit für Frauen predigt, gleichzeitig aber einen männlichen Chefredakteur beschäftigt. Erst durch die Lektüre von "EMMA" wurde mir bewusst, was ich abseits des Mainstream so verpasst habe - nämlich bissigen, forschen, feministischen Journalismus, ganz ohne Diäten, Kochrezepte und dutzende Seiten Werbung. Nur leider ist die "Brigitte" den "EMMAs" in Sachen korrekter Rechtschreibung meilenweit voraus. Hier zeigt sich wieder: Frau kann nicht alles haben. Übrigens: EMMA hat natürlich eine Chefredakteurin. Sie heißt Alice Schwarzer.

9/08/2008

Alice Schwarzer über Romy Schneider

Alice Schwarzer, eine meiner großen Heldinnen, war heute in Wien und las aus ihrer neu aufgelegten Biografie über Romy Schneider. Die Galionsfigur der Feministinnnen ist nicht nur eine Frau mit Überzeugung, ausgefeilter Rhetorik und Humor, sondern auch noch ausgesprochen sympathisch. Die laut Eigendefinition "meistangefeindete Frau Deutschlands" las aus ihrem Werk über Romy Schneider, eine äußerst widersprüchliche Persönlichkeit: liberal-feministisch und konservativ-unterwerferisch zugleich - eine "scheinbar moderne Frau", die letztlich, wie die Autorin meinte, an einer "Überdosis Weiblichkeit" scheiterte. Ein äußerst inspirierender Abend mit einer Frau, die Pionier- und Herkulesarbeit für die Gleichstellung von Frauen geleistet hat. Bitte weiter so! Heute Abend bin ich auch stolze Abonnentin von "Emma" geworden. Die signierte Ausgabe kommt in den Reliquienschrank.

8/29/2008

Die Millennium-Trilogie, Teil 2

Stieg Larssons Romane sind für mich die Pageturner schlechthin. In diesem zweiten Band ("Verdammnis") der "Millennium-Triologie" werden viele Fragen über Lisbeth Salander beantwortet, die im ersten Teil offen bleiben. Dazu gibt es einen sehr komplexen und gut durchdachten Plot, viele Schurken und ein sehr pessimistisches Weltbild. Geschickt verquickt Larsson hier Enthüllungen über Mädchenhandel in Schweden mit der unheimlichen Vergangenheit von Lisbeth Salander. Eher unfreiwillig arbeiten wieder der Journalist Mikael Blomkvist und ebendiese Lisbeth zusammen. Beim Ende hat der Autor zwar ein wenig übers Ziel hinausgeschossen, was aber der Lesefreude nach über 700 Seiten kaum Abbruch tut. Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

7/29/2008

Die Millennium-Trilogie, Teil 1

Genau vier Tage hat meine Literatur-Abstinenz gedauert, in denen ich unter anderem die zentimeterdicke Sonntagsausgabe der "New York Times" studiert habe. Danach: 688 Seiten Thriller von Stieg Larsson - "Verblendung" ist der erste Teil der mittlerweile im deutschsprachigen Raum recht bekannten "Millennium"-Trilogie. Spannende, kurzweilige Lektüre, wobei ca. die ersten 400 Seiten ohne Gewalt auskommen - aber dann wird es zum Teil heftig. Mikael Blomkvist, ein vorübergehend in Ungnade gefallener Enthüllungsjournalist, soll das Rätsel des Verschwindens der Großnichte eines alten Industriellen klären. Die Entdeckungen, die er wider Erwarten macht, sind ganz furchtbar. Gemeinsam mit Lisbeth Salander, die sich auf Umwegen bei seinen Recherchearbeiten zu ihm gesellt, stellt er ein sehr außergewöhnliches "Ermittlerpaar" dar: Hier der renommierte, wenngleich etwas angeschlagene Journalist, da das leicht asoziale Genie mit dunkler Vergangenheit. Gut strukturierter Thriller, falsche Fährten, gute Entwicklungen, sehr gute Unterhaltung. Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

7/23/2008

Literatur-Overkill

Also das gab es bei mir wirklich noch nie - dass ich der Literatur, zumindest vorübergehend, überdrüssig bin. Ohne einen neuen Weltrekord im Viel- und Schnellesen aufstellen zu wollen, habe ich hier im Urlaub in den USA in den ersten 2 Wochen stolze 9 Bücher mit insgesamt geschätzten 2.000 Seiten gelesen: den neuen Martin Suter, den neuen T.C. Boyle, ein gelungenes Sozialporträt über Kolumbien, einen misslungenen Thriller von Michael Collins als Reiselektüre, meinen erster Roman von Anna Quindlen, "Ich und Kaminski" von Daniel Kehlmann, einen im Milieu der Sprachwissenschaft angesiedelten Krimi, "Forgive me" von Amanda Eyre Ward und "Zwei von zwei" von Andrea de Carlo. Aber wie ich mich kenne, halte ich nach wenigen Tagen Pause bereits das nächste Buch in Händen, voraussichtlich: "Verblendung" von Stieg Larsson. Ich werde berichten.

7/11/2008

In eigener Sache: verfilmte Kurgeschichte

Nachdem schon zahlreiche Schülerinnen im Deutschunterricht mit meinen Kurzgeschichten mehr oder weniger beglückt werden (und mich regelmäßig um die Interpretation meiner eigenen Texte ersuchen), erlebt eine Kurzgeschichte von mir nun den Sprung weg vom Papier: Ein Kurzfilm, basierend auf meinem Text "Ich, mein Nachbar, ich" von Bernhard Bornatowicz, ist bereits fixfertig im Kasten. Der Film trägt den Titel "Mein Nachbar" und sieht im Trailer schon mal sehr professionell und vielversprechend aus. Glückwunsch an alle Mitwirkenden! Bei der Premiere kann ich leider nicht dabei sein, weil ich derzeit in den USA bin - freue mich aber sehr darauf, den ganzen Film zu sehen. Weitere Infos in Bälde in diesem Blog.

7/10/2008

Frauenfeindlicher Shakespeare?

Diesmal melde ich mich aus den USA, wo meine ebenso literaturbegeisterte Zwillingsschwester und ich in Cedar City/Utah das alljährliche Shakespearean Festival besucht haben. Gesehen haben wir "Two Gentlemen of Verona" und "Taming of the Shrew". Bei letzterem Stück bekam ich Aggressionsschübe - das Stück handelt von der "Zähmung" einer widerspenstigen Frau zu einem unterwürfigen Schuhabtreter, der sich nichts Schöneres vorstellen kann, als ihrem "Herrn", "Monarchen" und "Gott" zu dienen. Jeder Feministin kommt hier die Galle hoch. Schon klar, dass im 16. Jahrhundert der Feminismus noch nicht erfunden war, dennoch: Es wäre angebracht, dieses höchst unzeitgemäße Stück von den Bühnen dieser Welt zu verbannen. Besonders in der stark überzogenen, mit Klamauk-Elementen durchzogenen Inszenierung, die in Utah auf die Bühne durfte.

6/05/2008

Thank you and...goodbye!

Hurra - Bon Jovi-Konzert, Open Air in Ebreichsdorf bei Wien! Leider musste es bei der Vorfreude bleiben: Trotz miesem Wetter verstopften abertausende Menschen die Autobahn. Eine 20-Minuten-Autofahrt zur ehemaligen Trabrennbahn nahm so beinahe 4 Stunden in Anspruch. Die Parkmöglichkeiten vor Ort waren ein Witz und nach 45-minütigen Fußmarsch zum Konzertgelände hörten wir Jon Bon Jovi gerade noch sagen: Thank you and...goodbye. Dann kamen noch drei Zugaben - und das war's dann. Immerhin: Diejenigen, die auf den heillos verstopften Parkplätzen geparkt hatten, sind wahrscheinlich noch immer nicht zu Hause. Wird wohl in die Annalen eingehen als das schlechtestorganisierte Konzert aller Zeiten.
Foto: www.bonjovi.de

5/16/2008

Lange Durststrecke, tolle Literatur

Ich kann es nicht oft genug sagen: Von den dutzenden Büchern, die ich mir jedes Jahr zu Gemüte führe, kann ich letztlich nur eine Handvoll wirklich empfehlen. Besonders in den letzten Monaten hat mich kein Buch so wirklich überzeugt und mein Frust stieg stetig. Nach dieser langen Durststrecke war "Seven Types of Ambiguity" von Elliot Perlman (deutscher Titel: "Sieben Seiten der Wahrheit") ein echter Segen. Ein sehr gelungenes Stück Literatur rund um eine, nun ja, auf die schiefe Bahn geratene Beziehung. Die Vorfälle werden aus sieben unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was immer wieder neue Horizonte eröffnet. Sehr empfehlenswert! Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

4/15/2008

Akademietheater: vom Regen in die Traufe

Und wieder mal ein Reinfall, diesmal im Wiener Akademietheater: Das Stück "Motortown" des erfolgreichen britischen Dramaturgen Simon Stephens hat mich völlig ratlos zurückgelassen. Ein traumatisierter Irak-Heimkehrer wirkt inmitten seiner eigenartigen Umgebung "normaler" als die meisten anderen (ein billiger dramaturgischer Kniff?). Das Ganze plätschert belanglos dahin - permanente Blicke auf die Uhr lassen sich nicht vermeiden. Dann ein plötzlicher Gewaltexzess und das war's. Als Draufgabe gab es akuten Brandgeruch im Theater, einen Lärmpegel wie bei einem Schulausflug und mehrere läutende Handys. Schöne alltägliche Theaterwelt in Wien.

3/29/2008

Theaterfrust in Paris

Hiiilfe! Ich hielt es für eine hervorragende Idee, mir mit zwei netten Leuten während meines Paris-Aufenthalts ein Stück von Eric-Emmanuel Schmitt namens "La tectonique des sentiments" anzusehen - gleich um die Ecke von den Champs-Élysées. Was kann da schiefgehen? Leider so ziemlich alles. Das Stück an sich ist eine Katastrophe: Da biegen sich die Theaterbalken vor lauter Oberflächlichkeit und Banalität und himmelschreienden Klischees (die toughe Politikerin und zugleich zutiefst unsichere Frau, die liebe Prostituierte & Co.). Die karikaturhaft wirkenden Figuren garnieren das Ganze noch mit doofen Witzchen und verzichtbaren kleinen Tanzeinlagen. Die Inszenierung ist extrem konventionell und die Schauspielleistung zum Teil bestenfalls mittelprächtig. Ach ja, es geht um Beziehungskiste. Selten hat jemand ein so spannendes Thema so misslungen auf die Bühne gebracht. Das Stück wirkt wie direkt aus einem Creative Writing-Seminar für noch sehr unbeholfene Dramaturginnen und erinnert in seinem überbordenden Pathos frappierend an Telenovelas. Immerhin war der anschließende Gin Tonic gut...

3/06/2008

Literarisch grauenvoller Jahresbeginn

Schrecklich, was mir das neue Jahr ganz am Anfang literarisch zu bieten hatte: einen Roman des französischen Erfolgsautors Marc Levy. Nachdem er seit Jahren auf den Bestseller-Listen ganz oben ist, fand ich die Zeit gekommen, auch mal was von ihm im Original zu lesen. Gesagt, getan: "La prochaine fois" (deutscher Titel: "Bis ich dich wiedersehe") hat alle Negativ-Erwartungen locker getoppt. Das Buch gehört zum Schlechtesten, was ich bisher gelesen habe (und das ist eine ganze Menge). Ich war so wütend, dass ich oft drauf und dran war, das Buch in die Ecke zu pfeffern. "La prochaine fois" bietet eine hanebüchene Liebesgeschichte mit absurden übernatürlichen Elementen, komplett unglaubwürdige Charaktere, lächerlich banale Dialoge und Klischees en masse. Sehr empfehlenswert für Fans von Arztromanen. Ansonsten: Bitte unbedingt die Finger davon lassen. Eine ausführlichere Rezension gibt es hier.

Konzert statt Theater?

Nach berufsbedingter Pause hat mich mein Blog wieder! In der Zwischenzeit konnte ich auch wissenschaftlich einwandfrei nachweisen, wo denn die ganzen hochgebildeten, kulturbeflissenen und zivilisierten Leute sind, die ich im Theater immer schmerzlich vermisse: Sie gehen ins Konzert. Kürzlich war im bei Konzerten im Wiener Musikverein und auch im Konzerthaus. Bei beinahe dreistündigen Konzerten läutete kein Handy, es wurde nicht getuschelt, keiner haute mir die Knie ins Kreuz. Gehüstelt wurde ausschließlich dann, wenn applaudiert wurde, also zwischen den einzelnen Musikstücken bzw. Sätzen. Fehlt nur noch, dass ich für die Musik eine ähnliche intensive Passion entwickle wie fürs Theater und für die Literatur und schon steht dem grenzenlos zivilisierten Kunstgenuss nichts im Weg. Wobei ich auch kräftig dazu beitragen würde, den Altersschnitt im Konzertsaal zu drücken. Jung und hip sind allerhöchstens die Musikerinnen auf der Bühne. Übrigens: Das schöne Bild stammt von amenove/flickr.com

12/28/2007

Englisches Theater aus dem Stegreif

Ja, klar sind die Rahmenbedingungen nie perfekt. Diesmal war es mein "Hintermann", der offensichtlich seine Beine als so endlos lange empfand, dass er sie dauernd in meine Rückenlehne bohren musste. Böse Blicke führten, wenig überraschend, nur zur sehr kurzfristiger Linderung. Egal: Das, was die "English Lovers" da jeden zweiten und vierten Freitag auf der Bühne des Theater Drachengasse abliefern, entschädigt allemal für sämtliche unangenehme Begleiterscheinungen. 6 Englisch-Muttersprachlerinnen, die unter Vorgabe eines vagen Rahmens für die jeweils nächste Szene und Zurufen aus dem Publikum voll und ganz improvisieren. Ihre Kreativität, Wortwitz und Schlagfertigkeit sind schlicht atemberaubend. Und oft zum Brüllen komisch. Die regulären "Late Night Theater Jams" starten jeweils um 22:30 Uhr, genau die richtige Zeit für kulturbeflissene Nachtschwärmerinnen. Gute bis sehr gute Englischkenntnisse empfehlenswert.

11/26/2007

Der Frust eines Theaterfans

Nur kultivierte Leute gehen ins Theater? Denkste! Mittlerweile entwickle ich echte Aggressionen, wenn sich die Leute vor, hinter und neben mir fröhlich durchs Stück quatschen und witzeln, als ob sie daheim vor der Glotze säßen. Die Usancen schreiben hier böse Blicke vor, was erfahrungsgemäß überhaupt nichts bringt. Egal, ob im Burgtheater oder an einer kleinen Alternativ-Bühne. Egal, ob jung oder alt. Alle quatschen sie. Lautstark hüsteln und räuspern tun sie sowieso. Und es ist ein Wunder, wenn mal gerade kein Handy läutet. Ist es denn wirklich so vorgestrig, sich im Theater sittsam das jeweilige Stück anzuschauen? Wer mal von tätlichen Übergriffen in einem Wiener Theater liest: Ich war's!

11/24/2007

Von Handys, Bomben und Gefühlen

Ad hoc könnte frau meinen, dass sie beim Theaterstück "Mobil" des Spaniers Sergi Belbel eine ausschließlich heitere Persiflage der grassierenden Handymania erwartet. Weit gefehlt: Hier wird die Fixierung auf die mobile Kommunikation als Vehikel für die Entwicklung komplizierter Charaktere und Beziehungen verstanden. Mutter und Tochter auf der einen Seite und Mutter und Sohn auf der anderen - die Wege dieser vier kreuzen sich bei einem Bombenanschlag am Flughafen. Im Hochgefühl der Überlebenden setzen sie unerwartete, aber letztlich überfällige Handlungen, stets per Telefon: Befreiung via Handy. Sehr sehenswert - sofern Sie nicht das Pech haben, dass ein Mittvierziger neben Ihnen in der ersten Reihe die Füße auf die Bühne legt, theatralisch an die Decke starrt, pausenlos hustet und mit sonstigen unfeinen Aktionen permanent um ihre Aufmerksamkeit heischt. Noch bis 8. Dezember im Theater Drachengasse in Wien.

10/29/2007

Pikante Geheimnisse und literarische Kleinode

Manche Geheimnisse sind dazu verdammt, nie ans Licht zu kommen - zu ungeheuerlich sind sie, um jemals in Worte gefasst zu werden und die Reaktion des Gegenübers zu beobachten. Eine sehr schöne Lösung dafür bietet die enorm erfolgreiche Website http://postsecret.blogspot.com - in Zeiten der multimedialen Selbstenblößung werden hier zwar erstaunliche Geheimnisse preisgegeben - allerdings anonym und mithilfe des vergleichsweise altmodischen Mediums Postkarte, wobei diese selbstgebastelt sein sollte. Der Betreiber der Website scannt sie ein und stellt sie online. Jeden Sonntag neu, leider ohne Archiv. Zum Glück gibt's die gesammelten Werke auch als Buch. Achtung: Suchtgefahr! Viele der Texte gehen unter die Haut und so bald nicht mehr raus...

10/10/2007

Eva Hermann bei Kerner: Hexenjagd sticht Qualitätsjournalismus

Diesmal ein medienpolitisches Thema: Gestern war die ehemalige Moderatorin und nunmehrige Autorin von umstrittenen Sachbüchern zum Thema Geschlechterrollen, Eva Herman, in der Talkshow von Johannes Kerner im ZDF geladen. Daneben hockten ein (pseudo-) dümmlicher Mario Barth (angeblich ein Comedy-Star), eine daueraugenverdrehende Margarete Schreinemakers und eine blasierte Senta Berger, die von Hermans Bücher keine Ahnung hatte. Das war die Jury - als Richter und Staatsanwalt zugleich fungierte Johannes Kerner, dessen tendenziöse, manipulative und unseriöse Gesprächsführung ihresgleichen sucht. Immer und immer wieder drängte er sie zu einer Entschuldigung über Aussagen, die sie zum Dritten Reich gemacht hat, nach denen familiäre Werte von den Nazis pervertiert wurden (was vermutlich so unrichtig nicht ist). Dafür wurde Herman, die sich nachweislich gegen rechts engagiert, von allen in die rechte Ecke gerückt. Jedes Wort wurde gegen sie ausgelegt. Das ist ein erstaunliches Armustzeugnis eines Journalisten, der perfiderweise immer wieder betonte, er wolle Herman fair behandeln, sie aber nie ausreden ließ, dauernd die gleiche Frage stellte und Herman letztlich des Studios verwies. Ein Super-GAU der Medienpolitik, mit der sich Kerner klar selbst disqualifiziert und als Moderator untragbar geworden ist.

9/27/2007

Jorge Franco und der unmagische Realismus

Wie ist das wohl für einen spanischsprachigen Autor, der bei einem deutschen Literaturfestival ca. 5 Minuten aus seinem Roman "Rosario Tijeras" liest und danach ewig lang dem deutlich längeren deutschen Ausschnitt lauschen muss, ohne ein Wort zu verstehen? Jorge Franco nahm des beim Internationalen Literaturfestival in Berlin jedenfalls gelassen. Wofür ihn bestimmt die professionelle Simultandolmetschung der Einleitung und der Fragestunde gegen Schluss entschädigt haben. Jedenfalls hat Jorge Franco diesen Roman bereits 2001 veröffentlicht, wobei er vom magischen Realismus eines gewissen anderen Kolumbianers nicht weiter entfernt sein könnte. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen hat dieser Roman Furore gemacht. Was das alles mit dem Sänger Juanes zu tun hat und wie ich es mit der Liaison zwischen einer Auftragskillerin aus den Slums und zwei Männern aus der feinen Gesellschaft halte, lesen Sie in der ausführlichen Rezension.

Der neue Roman von Isabel Allende

Was für eine Freude, eine meiner ganz großen Heldinnen live in Wien zu erleben! (siehe Beitrag unten). Seit der Lektüre von "Das Geisterhaus" vor etlichen Jahren habe ich so gut wie alles gelesen, was Isabel Allende veröffentlicht hat - und das ist eine ganze Menge. Diesmal hat sich die Vielschreiberin mit "Inés meines Herzens" einer sehr genau recherchierten historischen Figur zugewandt, Inés Suárez, eine Spanierin, die an der Eroberung Chiles in 16. Jahrhundert beteiligt war. Wie immer ist auch dieser Roman souverän geschrieben und dreht sich, wie die meisten Bücher Allendes, um eine starke und selbstbewusste Frau. Da das Buch aber mehr Chronik denn Erzählung ist, bleibt die poetische Sprache, die ich so an ihr schätze, weitestgehend ausgeklammert. Dennoch: Lehrreiche Einblicke in eine grausame Welt, die sich in den letzten Jahrhunderten nur marginal zum Besseren gewandelt hat. Eine ausführliche Rezension gibt es hier.

9/23/2007

Gerhard Roth: Memoiren in Überlänge

Die wohl längste Lesung des Jahres erlebte ich am Freitag im Akademietheater: Gerhard Roth las mit professioneller Unterstützung von Libgart Schwarz (Burgtheater) und eines ob eines läutenden Handys unsäglich genervten Ignaz Kirchner aus seinem neuen Roman "Das Alphabet der Zeit". Beinahe 2 Stunden dauerte die Lesung, die sich allerdings als sehr kurzweilig herausstellte. Inhaltlich sind die Erinnerungen an Kindheit, Jugend etc. sehr heiter und gnädig gegenüber allen darin vorkommenden Personen geschrieben, dabei aber, wie viele Memoiren, in meinen Augen nicht unbedingt transzendental. Mit Ausnahme der politischen Dimension natürlich, da Roths Eltern beide Nazis waren. Problematisch auch hier, wie bei vielen vergleichbaren Werken, die Darstellung der Kindheitserinnerungen, in die sich die Altersweisheit des Erwachsenen mischen und somit wenig glaubwürdig wirken.

9/18/2007

Isabel Allende: Mittelmaß für einen Superstar

Wien ist leider manchmal zu anders: Die Lesung von Isabel Allende war, mit Ausnahme der Autorin selbst natürlich, von peinlichem Mittelmaß geprägt. Schon der Ort - ein Kellersaal im Musikverein - war sonderbar. Warum nicht das Burgtheater? Dazu gab es einen unerträglichen Moderator, der die Fragestunde als Forum für einen persönlichen Anti-Bush-Feldzug missbrauchte, bis das aufgebrachte Publikum ihn stoppte und er zu Fragen à la "Sind Ihre Bücher autobiografisch?" wechselte. Als Draufgabe eine lustlos wirkende Schauspielerin, die den deutschen Text augenscheinlich zum ersten Mal sah und dementsprechend unmotiviert herunterleierte. Zum Glück war da die Hauptperson, die strahlend schöne und ungemein sympathische Isabel Allende und ihr neuer Roman "Inés del alma mía" ("Inés meines Herzens"). Allerdings habe ich selten ein so enttäuschendes Drumherum erlebt wie bei dieser Lesung in Wien.

9/11/2007

Ein literarischer Geniestreich: Wolf Haas

Bereits bei Wolf Haas' Krimis hat mich weniger der Inhalt als die enorm originelle und revolutionäre Form überzeugt. Da ich mittlerweile die ständigen Wiederholungen à la "da ist der Brenner rein und wieder raus" nicht mehr lesen konnte, bin ich gar nicht so traurig darüber, dass sich Wolf Haas nun einem völlig anderen Genre zugewandt hat: erstaunlicherweise dem Liebesroman. Der Inhalt ist zwar schrecklich hausbacken, aber dafür die Form umso genialer: Das Buch besteht aus einem Interview zwischen einer Literaturkritikerin und dem Autor selbst über ein Buch, das es in Wirklichkeit natürlich gar nicht gibt. Ein echter literarischer Coup, den ihm so schnell wohl keiner nachmacht. Eine ausführlichere Rezension lesen Sie hier.

24 Stunden Literatur in Berlin

Den Lateinamerika-Schwerpunkt beim 7. Internationalen Literaturfestival konnte ich mir keineswegs entgehen lassen und reiste für knappe 24 Stunden in die deutsche Hauptstadt. Mein dicht gedrängtes Programm: die Lesung von Mario Vargas Llosa, danach die Lesung des Kolumbianers Jorge Franco und als Abschluss, als sich schon intellektuelle Müdigkeit breitmachte, eine Lesung aus dem Essay "El laberinto de la soledad/Das Labyrinth der Einsamkeit" des mexikanischen Nobelpreisträgers Octavio Paz - vorgetragen von einen unfassbar arroganten Frank Arnold als negatives Highlight.
Erfrischend unarrogant war hingegen Jorge Franco, dessen im Milieu der Drogenmafia angesiedelter Roman "Rosario Tijeras" den Sänger Juanes zum gleichnamigen Lied inspirierte. Ob das Buch über eine Auftragskillerin nun ein feministisches Schlüsselwerk ist oder nur paradoxe männliche Fantasien bedient, ließ er allerdings offen.
Insgesamt ein sehr netter, bereichender Literatur-Aufenthalt in Berlin. Vielleicht nächstes Jahr wieder!

7/19/2007

Theater-Sommertipp in Wien

Kurz, bevor ich in den Urlaub entschwinde, anbei ein Theatertipp für Kulturhungrige, die sich nicht zu den Sommertheatern außerhalb von Wien bewegen möchten. Mitten im 8. Bezirk befindet sich mein Lieblingstheater, das "Klettenheimers KleinKunstCafé", deren aus 2 Personen bestehendes Ensemble das ganze Jahr grandiose Stücke auf die Bühne bringt. Und eben auch in Sommer. Die moderne Multimedia-Version von "Macbeth", in dem sich die "Klettis" auch selbst gehörig durch den Kakao ziehen, ist noch bis 28. Juli zu sehen. Reservierung empfehlenswert, da nur ca. 30 Plätze zur Verfügung stehen. Nähere Infos unter www.klettenheimers.com
Schönen Sommer!

6/05/2007

Freuds Grenzen in New York

Seufz, schon wieder mal zu hohe Erwartungen gehabt. Das Buch "The Interpretation of Murder" von Jed Rubenfeld rund um den historisch belegten USA-Aufenthalt von Sigmund Freund und einen fiktiven Mord, der mittels Psychoanalyse aufgeklärt werden soll, hat mich nicht wirklich überzeugt. Zu hölzern sind die meisten Figuren und die Anwendung der Psychotherapie kommt im Vergleich zu den reichlich vorhandenen Krimi-Elementen in meinen Augen viel zu kurz. Die wirklich erhellenden Einblicke in die menschliche Seele halten sich leider auch in Grenzen. Apropos Grenzen: In diesem "Fall" stößt die Psychoanalyse an ihre Grenzen - was zwar in der Natur des Kriminalfalls liegt, aber einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Nähere Gedanken zu diesem Buch lesen Sie hier.

5/27/2007

Die Welt als Mann erleben

Schon lange spiele ich mit dem Gedanken, mich als Mann zu verkleiden, um zu sehen, ob mir die Welt anders begegnen würde. Aber schon bei den Vorbereitungen brach ich das Experiment ab: lässige Kappe von meinem Freund, dessen eckige Sonnenbrille, seine Jeansjacke – und dennoch sah ich unverkennbar weiblich aus: die Löcher in den Ohren, die weichen Gesichtszüge, schwer zu verbergende Rundungen. Es war aussichtslos. Und dann stieß ich auf Norah Vincent und ihr grandioses Buch „Self-Made Man“. Sie hat es geschafft, über ein Jahr lang glaubwürdig, wenn auch oft als „etwas feminin“ und „möglicherweise schwul“ wahrgenommen, durchs Leben zu gehen. Ein Buch, das mir wahrlich die Augen geöffnet hat – und einen wunden Punkt aufgedeckt hat, nämlich das weibliche Überlegenheitsdenken – siehe Rezension.

Ein Mini-Experiment erlaubte ich mir dennoch: ich ahmte männliches Verhalten nach. Ich ging in die Bäckerei und sagte: „ein Korn-Croissant“ – und zwar ohne zwanzig „grüß Gott“, „bitte“, „danke“, „schönen Tag“ und „auf Wiedersehen“. Ich wurde genauso freundlich bedient wie bei meinem Auftritt als Frau am nächsten Tag. Was lerne ich daraus? Vielleicht sollte ich einfach aufhören, mich als Frau indirekt für meine bloße Existenz zu entschuldigen.

Mein Freud'scher Hunger: Jed Rubenfeld

Nach jedem neuen Buch von Irvin Yalom, das ich verschlinge, bin ich gleichzeitig bereichert und enttäuscht. Denn ich muss warten, bis das nächste erscheint. Deshalb bin ich ständig auf der Suche nach Autorinnen, die in ihren Büchern psychotherapeutische Theorie und Praxis einarbeiten, ohne dabei schulmeisterhaft daherzukommen. Irvin Yalom ist der erklärte Meister - Yoram Yovell kann ihm dabei nicht ganz das Wasser reichen. Nun kommt neue Hoffnung auf: Der amerikanische Verfassungsjurist Jed Rubenfeld, der von seinem letzten Sachbuch angeblich nur sechs Exemplare verkaufte, hat sich mit seinem Roman "The Interpretation of Murder" (deutsch, logo: "Die Morddeutung") auf Anhieb in die Bestsellerlisten katapultiert. Sigmund Freud löst mithilfe der Psychoanalyse einen Mord. Auch wenn Krimis sonst so nicht mein Ding sind - ich kann den Postler mit dem Amazon-Paket unterm Arm kaum erwarten! Einmal klingeln reicht vollkommen, auch um halb 8 in der Früh. Rezension folgt.

5/17/2007

Kabarett: Starke Frau an Bord

Eher selten sind sie auf der Bühne heimischer Kabaretts anzutreffen: Frauen. Nadja Maleh ist eine von ihnen. Ihr erstes Soloprogramm namens "Flugangsthasen"ist ein wunderbarer Cocktail aus hervorragendem Witz, Tiefgang, gesanglicher Einlagen sowie Gestik und Mimik. Die pantomimische Begleitung von Herbert Grönemeyers "Männer" muss ihr erst mal jemand nachmachen. Für ihre Performance braucht Nadja Maleh nichts mehr als ein Mikrofon. In Bruchteilen von Sekunden verwandelt sie sich von einer aggressiv freundlichen Stewardess, die durch den Flug und das Entertainment führt, in eine laszive Telefonsex-Tante, eine biedere Weltverbessererin, eine talentlose Egozentrikerin oder eine indische Seelenfängerin. Das alles bewerkstelligt sie rein über Körperhaltung, Stimmlage und Akzent - das Publikum war begeistert. Ich habe Tränen gelacht!

5/15/2007

Mein Lieblingsitaliener in Wien: Andrea De Carlo











So schnell kann's gehen: Meine etwas abgeflaute Liebe zu Andrea De Carlo ist neu entflammt. Nicht, weil er einen rundum überzeugenden neuen Roman hingelegt hätte. Sondern weil ich ihn bei der heutigen Lesung in Wien (Thalia) als umwerfend sympathisch, charmant, einnehmend und sprühend vor Esprit erlebt habe. Und für seine 54 Jahre sieht er auch noch sehr gut aus. Sie sehen: Auch Frauen sind berechenbar. In der übervollen Lesung erzählte der Autor auf Italienisch und sehr gutem Englisch von seinem Engagement für die Umwelt, der Medienpolitik Berlusconis und die grundverschiedenen Wesen Mann und Frau. Und las natürlich aus "Wenn der Wind dreht" vor. Getrübt wurde die Stimmung in meinen Augen nur von der oberlehrerhaften Diskussionsführung von Gabi Madeja. Abschließend noch ein Autogramm - und sogar ein Foto mit dem Autor. Meinetwegen groupiehaft, aber eine schöne Erinnerung an einen inspirierenden Abend.

5/09/2007

Liebe, lustvoll seziert

Gestern habe ich ein hochgradig empfehlenswertes Theaterstück in englischer Sprache gesehen (läuft noch bis Samstag, 12. Mai). Das "Vienna Theatre Project" zeigt im Ensemble am Petersplatz das Stück "Closer" des Engländers Patrick Marber. Es geht um ein zeitloses Thema: Liebe und die Bedingungen der Liebe, das Ende der Liebe, die ungelösten Fragen hinter menschlichen Reaktionen, die Willkür der Liebe, Verrat, Leidenschaft und Eifersucht. Das alles sehr modern, sehr zeitgemäß - wo Sex wenig mit Liebe zu tun hat. Die Handlung dreht sich um zwei Pärchen, die auseinandergehen, um dann mit dem jeweils anderen eine Beziehung einzugehen, sich wieder trennen usw. Herzzerreißend traurig, streckenweise zum Brüllen komisch und prickelnd erotisch. Und vor allem eins: sehr realistisch.
Hier ein paar Zitate zum Philosophieren:
[Alice, getting dumped by Dan] Why isn't love enough?
[Alice, back together with Dan] Where is your love? I can't feel it, I can't touch it, I can't hear it. It's just easy words.
[Larry to Dan] Companionship will always trump passion.
[Larry] Then life ends. We never survive.

4/30/2007

Die unerträgliche Qual der Lektüre: Marisha Pessl

Marisha Pessl ist bildhübsch (siehe Foto), ist laut diverser Medienberichte zuckersüß und gibt sich gleichzeitig sehr bedeckt über die eigene Person. Alles an ihr scheint perfekt zu sein. Sie wohnt im schicken New Yorker Tribeca, hat mit 25 einen Investmentbanker geheiratet, hat zwei Katzen namens Hitchcock und Fellini. Marisha Pessl scheint keine Makel zu haben - außer den, dass sie in meinen Augen der Welt ein fast unzumutbares Werk beschert hat.
Selten habe ich die Lektüre eines Buches als so unerträglich empfunden wie bei diesem Erstlingsroman mit dem mysteriösen Titel "Special Topics in Calamity Physics". Auf über 500 Seiten präsentiert Pessl eine völlig überbewertete, bestenfalls peripher interessante und grobschlächtig konstruierte Coming-of-Age-Geschichte, die in einem karikaturhaften Kriminalfall gipfelt. Dieser Roman ist ein ernstzunehmender Kandidat für die „Enttäuschung des Jahres 2007“. Hier geht's zur ausführlichen Rezension.